Museumsbrief Nr. 27, 1/2019 Schiefer - Gestein des Jahres 2019

Von: Prof. Dr. Peter Rothe
auf 28 Oktober 2019

Schiefer - Gestein des Jahres 2019

Prof. Dr. Peter Rothe - 2019

 

Die Grube Sieblos wurde und wird als „Ö l s c h i e f e r - Lagerstätte“ bezeichnet. Aber ist das hier namengebende Gestein wirklich Schiefer? Und wenn nicht, was ist es dann?

Im Zusammenhang damit, dass Schiefer 2019 vom Berufsverband Deutscher Geowissenschaftler zum „Gestein des Jahres“ gekürt wurde, sollen nachstehend die Begriffe geklärt und ein paar Anmerkungen zu unterschiedlichen Gesteinen mit der Bezeichnung Schiefer gemacht werden.

Die Entstehung von Schiefern im weiteren Sinne beginnt mit der Ablagerung von äußerst feinkörnigen Sedimenten meist in aquatischen Milieus, überwiegend natürlich im Meer, aber auch in Flüssen und Seen. Die Korngrößen liegen im Bereich von Ton (< 0,002 mm), manchmal auch etwas Silt (0,002 – 0.063 mm), woraus sich auch der Begriff T o n schiefer herleitet. Tone sind meist Produkte chemischer Verwitterung, die Partikel können, wie etwa im Falle der Böden, entweder in situ über dem Ausgangsgestein liegen bleiben oder durch Wasser und/oder Wind vertragen und danach an anderen Orten abgesetzt werden.

Ton ist so zwar als Korngröße definiert, es gibt aber eine Vielzahl unterschiedlicher Tone, die sich nach deren mineralogischer Zusammensetzung unterscheiden lassen; die meisten Partikel sind spezifische Tonminerale, d. h. Schichtsilikate wie Kaolinit, Smektit/Montmorillonit, Illit oder Chlorit, aber auch Glimmer oder Quarz können als Folge von Strömungssortierung entsprechend kleine Tonkorngrößen haben. Im Gegensatz zu den anders geformten Tonmineralen sind das eher rundliche Körner. Tonminerale dagegen sind blättchenförmig, was u. a. die daraus aufgebauten Gesteine und deren Spaltbarkeit bedingt.

Tonminerale haben aber auch besondere Eigenschaften, die sie von anderen Mineralen unterscheiden: sie sind auf den Oberflächen durch negative elektrische Ladungen gekennzeichnet, während ihre Kanten positive Ladungen haben. Das führt dazu, dass sie sich zu einer einem Kartenhaus ähnelnden Gerüststruktur zusammen fügen können, in deren Hohlräumen Wasser eingelagert werden kann. Das erklärt auch den enorm hohen Wassergehalt frisch abgelagerter Tonschlämme. Wenn dann im Verlauf weiterer Ablagerung immer mehr Material auf das anfängliche Kartenhaus gehäuft wird, kann es der dadurch erzeugte Druck zusammenbrechen lassen: Als Folge lagern sich die Tonmineralblättchen parallel zueinander und verwandeln dadurch den anfangs unstrukturierten Schlamm des Schiefertons in einen plattig spaltenden Tonstein; die angelsächsische Literatur spricht dann von einem shale, ein Begriff, der auch bei uns zunehmend verwendet wird. Und so etwas ist auch unser Siebloser Ölschiefer oder die entsprechenden Gesteine der Grube Messel. Die „Öl“-Komponente bezieht sich auf die aus den pflanzlichen und tierischen Zersetzungsprodukten stammenden organischen Substanzen, die zusammen mit den Mineralen abgelagert wurden. Der strukturierende Prozess beim shale ist die Auflast (Abb.1).

Abb. 1
Abb. 1: Entstehung toniger Sedimentgesteine (Rothe 2010)

 

Dazu kommt gelegentlich auch ein kurzfristiger Materialwechsel, was zu einer Bänderung der Gesteine führt, wie sie auch in Sieblos zu beobachten ist.

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Abb. 2: Sieblos-Formation, Bänderung im Ölschiefer

 

Solche Bänderung gibt es aber auch in den echten Tonschiefern: im Falle der devonischen Langhecker Schiefer in der Lahnmulde führen Lagen von Quarzsilt zu einer außerordentlich feinen Bänderung, und der Quarz macht das Gestein besonders witterungsresistent.

Abb. 3

Abb. 3: Langhecker Schiefer mit typischer Streifung durch Materialwechsel (Rothe 2019)

 

An der Bildung vom Tonschlamm über den Tonstein bis zum plattig spaltenden Tonstein sind aber meist auch chemische Prozesse beteiligt: das im Porenraum zirkulierende Wasser kann Stoffe enthalten, bei deren Fällung das Gestein zusätzlich verfestigt wird: Kalk, Kieselsäure aus den mit abgelagerten biogenen Substanzen, oder vulkanogene Komponenten wie die Glaspartikel in Aschen, aus deren Umwandlung Zeolithe entstehen können.

Die bisher erwähnten und als Schiefer bezeichneten Gesteine sind namengebend für einige stratigraphisch konnotierte Schichtbezeichnungen, etwa den Posidonienschiefer im Schwäbischen Jura, den permischen Kupferschiefer oder den Fischschiefer im Tertiär des Oberrheingrabens. Alle diese Gesteine sind shales.

Tonschiefer aber, wie ihn offensichtlich die neue Ehrenbezeichnung meint, heißt im Angelsächsischen slate. Im Gegensatz zum shale, der zu den Sedimentgesteinen zählt, und dessen Bildung durch Diagenese erfolgt, leitet der durch gerichteten Gebirgsdruck entstehende Schiefer, wie er bei der Faltung von Gesteinspaketen zustande kommt, zwar in den Bereich der Metamorphose über. Tonschiefer sind aber noch keine metamorphen Gesteine, weil eine solche Definition eigentlich eine Neubildung von Mineralen verlangt, die unter anderen als rein sedimentären Bedingungen entstehen. Gelegentlich spricht man deshalb auch von Semi-Metamorphose. Erst unter höheren Druck- und Temperaturbedingungen gebildete Gesteine werden zu den Metamorphiten gerechnet und heißen dann Glimmerschiefer (engl. schist).

Abb. 4

Abb. 4:  Schema Schichtung/Schiefrigkeit (Rothe 2010)

 

Abb. 5 bearbeitet

Abb. 5: Falte und Schiefrigkeit, deren Richtung der Hammer anzeigt (Putnam 1989)

 

Tonschiefer entsteht, wenn gerichteter Druck im Gefolge einer Gebirgsbildung auf die erwähnten, bereits verfestigten feinkörnigen Gesteine trifft: dann regeln sich die erwähnten Blättchen der Tonminerale senkrecht zum vorherrschenden Druck ein und es entsteht ein Gesteinsgefüge, das als Schiefrigkeit bezeichnet wird, der Prozess selbst heißt Schieferung. Zuvor aber steht die Schichtung, die durch Material- oder Korngrößenwechsel zustande kommt. Schichtung und Schiefrigkeit können unterschiedliche Winkel miteinander bilden, nur in seltenen Fällen verlaufen beide parallel – und nur in solchen Fällen bleiben auch die Fossilien in entsprechenden Schichten undeformiert erhalten und bestimmbar. Wenn solche Richtungen annähernd senkrecht aufeinander stehen, spricht man von Transversalschieferung.

Die durch die Schieferung entstehenden Trennflächen in den Gesteinen führen zu meist sehr guter Spaltbarkeit. Bei homogenen, feinkörnigen und feinschichtigen Ausgangsgesteinen werden oft ganze Partien zu besonders gut spaltenden Tonschiefern umgebildet, die dann als Dachschiefer gewonnen werden können. Je nach Literatur sind nur sehr geringe Anteile einer Schieferlagerstätte brauchbar, 85 bis 90 % landen deshalb auf oft riesigen Abraumhalden. Solches Material wird aber gelegentlich gemahlen und für andere Zwecke genutzt. Dachschiefer sind meist grau, aber in unterschiedlichen Schattierungen: die Farbe wird durch das den Tonmineralen beigemischte ursprüngliche organische Material bestimmt, kann aber auch durch feinstverteilten Pyrit bedingt sein, z. B. wenn black shales das Ausgangsgestein waren, die in reduzierenden Milieus entstehen. Rotschiefer dagegen zeigen oxidierende Verhältnisse im Ablagerungsraum ihrer Vorläufersedimente an, das färbende Agens ist dann Hämatit (Fe2O3). Und Grünschiefer, der durch Chlorit gefärbt sein kann, ist im Zusammenhang mit Tonschiefern ein Begriff, den man besser vermeiden sollte, weil er eigentlich aus der Systematik der Metamorphite stammt, wo er eine Umwandlung unter schwach metamorphen Bedingungen kennzeichnet (Grünschiefer-Fazies) und damit aus dem Begriff Tonschiefer eigentlich herausfällt.

Für die Produktion von Dachschiefern sind nur bergfrische Gesteine geeignet. Weil oberflächennahe Vorkommen infolge der Verwitterung unbrauchbar sind, werden zunächst untertage größere Blöcke gewonnen, die dann später gespalten und deren Platten zugerichtet werden (Abb. 6).

Abb. 6

Abb. 6: Untertage.Abbau von Schieferblöcken

 

Bezüglich der mechanistischen Vorstellung von der Entstehung von Tonschiefern durch gerichteten Druck bei der Gebirgsbildung gibt es gelegentlich noch eine zweite Phase physikalischer Beanspruchung: während die erste zu einer Spaltung des Gesteins in Form von Platten führt (Dachschiefer), kann in einer zweiten Ebene gerichteter Druck aus einer davon abweichenden Richtung dazu führen, dass die Platten quasi zerbrochen werden: dann entstehen G r i f f e l s c h i e f e r mit prismatisch geformten Stängeln, die bei der Produktion von Schreibgriffeln noch mechanisch verrundet wurden; das waren zur Zeit unserer Eltern Schreibstifte, mit denen man auf Schiefertafeln schrieb: der Griffel ritzte die Schiefertafel, aber nicht so tief, dass sie nicht durch ein „Schwämmchen“ wieder abgewischt werden konnte.

Abb. 7

Abb. 7: Griffelschiefer (Rothe 2015)

 

In Deutschland wurden und werden lokal auch heute noch Dachschiefer aus Schichten des Devons und Unterkarbons abgebaut, die ihre Entstehung vor hunderten von Millionen Jahren durch die Variskische Gebirgsbildung erfahren hatten. Auch deren hohes Alter unterscheidet sie von den nur 30er Millionen Jahre alten Ölschiefern von Sieblos, die, wie eingangs gesagt, gar keine Schiefer sind.

 

 Literaturverzeichnis:

Putnams Geology. (5. Ed., Hrsg. P. W. Birkeland & E. E. Larson). 646 S. Oxford Univ. Press, New York, Oxford 1989

Rothe, P.: Gesteine – Entstehung, Zerstörung, Umbildung. Wissenschaftliche Buchgesellschaft und Primus Verlag, 3. Aufl. 192 S., Darmstadt 2010

Rothe, P.: Die Erde. Alles über Erdgeschichte, Plattentektonik, Vulkane, Erdbeben, Gesteine  und Fossilien. Theiss Verlag, 3. Aufl., 224 S., Darmstadt 2015

Rothe, P.: Die Geologie Deutschlands. 48 Landschaften im Porträt. wbg Academic, Jubiläumsausgabe, 5. Aufl., 288 S., Darmstadt 2019

Verfasser: Prof. Dr. Peter Rothe

c/o Reiss-Engelhorn-Museen

Museum Weltkulturen D5

D-68159 Mannheim

Abb. 8