Museumsbrief Nr. 09, Ausgabe 1/1999 Der Muschelkalk

Von: Elmar Kram
auf 10 Januar 1999

Der Muschelkalk

Elmar Kram - 1999

Der Muschelkalk ist eine Gesteinsformation, die zu Beginn des Erdmittelalters in der Trias (vor rund 240- 230 Millionen Jahren) entstanden ist. Er liegt bei ungestörter Schichtlagerung über dem noch älteren Buntsandstein, mit dem die Trias beginnt.

Ursprünglich war das rund 240 m mächtige Gesteinspaket im gesamten Rhöngebiet flächenhaft verbreitet. Doch intensive Abtragung sorgte dafür, dass nur noch Reste des Gesteins an günstigen Stellen erhalten blieben.
Trotz der geringen Oberflächenverbreitung gibt es zahlreiche Aufschlüsse, an denen man die grauen Kalke sehen kann: An der Westseite der Eube, am Mundloch des Abtsrodaer Kaolinstollens, im Steinbruch des Kalkschotterwerks Nüdling – Schrimpf bei Poppenhausen, am Giebelrain oder am Parkplatz an der Straße hinauf zur Wasserkuppe bei Obernhausen.
An diesen Stellen erkennt man eine deutliche Schichtung des Gesteins, das aufgrund seiner welligen Schichtflächen auch als Wellenkalk bezeichnet wird.

Weichböden am Meeresgrund

Die Wellenkalke lagerten sich am Anfang der Muschelkalk- Zeit am Meeresgrund in Form von Kalkschlamm ab, der vermutlich von Kalkalgen produziert wurde. Die Wellenkalke des Unteren Muschelkalks sind in Mitteleuropa weit verbreitet.

muschelkalkabb4
Ära

Formation
 Ablagerung

Beginn
vor
Mio. Jahren

Erdneuzeit
Känozoikum

Quartär
Holozän
Pleistozän

1,8

Tertiär
Pliozän
Miozän
Oligozän
Eozän
Paläozän

5
 23
37,5
 53
 65

Erdmittelalter
Mesozoikum

Kreide

135

Jura
Malm
Dogger
Lias

190

Trias
Keuper
Muschelkalk
Buntsandstein

230

Erdaltertum
 Paläozoikum

Perm
Zechstein
Rotliegend

280

Karbon

350

Devon

405

Silur

435

Ordovizium

500

Kambrium

570

Erdfrühzeit / Erdurzeit

4800

 
 
Abb. 1: Küstenverlauf zur Zeit des Muschelkalkes
   


Vorkommen südlich des Schwarzwalds in der Wutachschlucht, vor der Küste Helgolands, in Thüringen, Rüdersdorf bei Berlin sowie in Schlesien verdeutlichen die Ausdehnung des Meeresbeckens (Abb. 1), dessen Form dem Persischen Golf ähnelt. Die schlammigen Weichböden des Wellenkalks schufen ein Biotop, das nur wenigen Spezialisten erlaubte, die Oberfläche des Meeresbodens zu besiedeln. Hierzu gehörte die Muschel Plagiostoma lineata (a in Abb. 2), deren große Standfläche ein Versinken im Schlamm verhinderte.

 Abb 2
 Abb. 2


Die meisten Tiere, vor allem Muscheln und Krebse, gruben sich im nährstoffarmen Schlamm ein und filterten Plankton aus dem Wasser, das in ihre Bauten strömte. Nur durch besonders glückliche Umstände konnten sich Teile dieser Faunengemeinschaft in Form von Fossilien erhalten. Wirbelstürme, die von Zeit zu Zeit über dem Meer wüteten, wirbelten den Kalkschlamm am Meeresgrund auf. Die darin lebenden Muscheln wurden verdriftet, an günstigen Stellen abgesetzt und verschüttet. Auf diese Art und Weise entstanden Schalenpflaster, die man in jedem Kalksteinbruch entdecken kann.
Diese Schalenpflaster enthalten neben Muscheln auch Reste von Schnecken. Da sich die Meeresschnecken der Triaszeit durch Abweiden nährstoffreicher Oberflächen ernährten, können sie unmöglich direkt am Meeresboden gelebt haben. Man vermutet, dass die Tiere auf schwimmendem Tang hingen, durch Stürme hinuntergerissen wurden und auf den Meeresgrund fielen.

Hartgründe

Nur in Ausnahmefällen konnte sich der Meeresboden stark verfestigen. Das hatte seine Konsequenzen für die Bewohner des Meeresgrundes. Die grabenden Muscheln verschwanden und machten Tieren Platz, die an ein Leben auf dem Hartboden angepasst waren. Austernähnliche Muscheln, die mit dünnen Byssusfäden am Meeresgrund befestigt waren, und die am Boden aufgewachsenen Seelilien gaben nun den Ton an. Eine große Seltenheit in den Hartgrundablagerungen sind Korallen. Aus dem Vergleich mit heutigen Verwandten ergibt sich, dass das Muschelkalkmeer nicht tiefer als 90 m gewesen sein kann. Die Wassertemperatur und der Salzgehalt waren mit denen heutiger tropischer und subtropischer Meere vergleichbar. Ähnlich wie bei den Weichböden verdanken wir unsere Kenntnisse über die Faunengemeinschaft von Hartgründen in erster Linie Stürmen. Die starke Wasserströmung spülte Rinnen in den Meeresboden, riss aus dem festen Meeresgrund bis dachziegelgroße Gerölle heraus, transportierte sie ab und lagerte sie anderenorts zusammen mit den Hartbodenbewohnern ab. Im April 1999 konnte die Schichtlage einer solchen Sturmlage im Steinbruch Nüdling – Schrimpf, Poppenhausen geborgen werden.

Das Schalenpflaster von Poppenhausen

Betrachtet man dieses Schalenpflaster von der Seite, erkennt man, dass alle Fossilien auf einer harten Kalkschicht liegen, die von ockergelben Gängen durchzogen ist. Das ist der Hartgrund. Da die Muscheln bei starker Wasserbewegung abgelagert wurden, liegen fast alle mit der Wölbung nach oben. Man erkennt (Abb. 3):

Abb 3
Abb. 3
  1. Plagiostoma lineata, Muschel, überwachsen mit der „Auster“
    Placunopsis ostracina
  2. Plagiostoma striata
  3. Newaagia noetlingi „Auster“
  4. Enantiostreon difforme „Auster“
  5. Loxonema sp., Schnecke
  6. Undularia sp. (Schnecke), überwachsen mit Placunopsis
  7. Seelilienstielglied
  8. Aus dem Hartgrund gerissenes Geröll

Leider zeigen die Steinbrüche in der Rhön fast ausschließlich Schichten des Unteren Muschelkalks. Ursache hierfür ist vor allem der geringere Kalkgehalt der Gesteine des Mittleren und Oberen Muschelkalks, die einen Abbau unrentabel erscheinen lassen.

Wassersaurier im Mittleren Muschelkalk

Während der Zeit des Mittleren Muschelkalks stieg der Salzgehalt des Meerwassers phasenweise sehr stark an. In Süddeutschland kam es zur Ablagerung von Steinsalz. Bei uns deuten nur Dolomit- und Gipsgesteine, auf den Äckern Zellenkalke die damaligen, lebensfeindlichen Verhältnisse an. Für den Fossiliensammler ist lediglich der tiefste Bereich des Mittleren Muschelkalks interessant. Zwischen den blaßgrauen, tonreichen Dolomitgesteinen gibt es nämlich mehrere nur wenige Millimeter bis Zentimeter dünne Lagen, in denen Fischschuppen, einzelne Knochen und Zähne angehäuft sind. Fachleute bezeichnen solche Schichten als Bonebeds. Der Großteil der Wirbeltierreste gehört zu kleinen Wassersauriern aus dem Verwandtenkreis der Nothosaurier (Abb. 4).

Abb 4
Abb. 4


Zeitalter der Ceratiten

Zum größten Bedauern der Fossilsammler gibt es bei uns so gut wie keine Steinbrüche im Oberen Muschelkalk. Sind diese Schichten aber einmal freigelegt, wie vor über 20 Jahren bei Bauarbeiten an der Kneshecke (Friesenhausen), so kann man die versteinerten Reste von Muscheln, Fischen, Krebsen und Schnecken sammeln. Die charakteristischen Versteinerungen des Oberen Muschelkalks sind aber die Ceratiten.
Es handelt sich dabei um Tintenfische mit spiralig aufgerolltem Gehäuse (Abb. 5).

Abb 5
Abb. 5

Die Lebensweise dieser fremdartigen Tiere gibt den Wissenschaftlern heute noch Rätsel auf.
Gegen Ende der Muschelkalkzeit schob sich allmählich von Skandinavien her ein Flußdelta nach Süden vor. Es brachte neben einer tonigen Sedimentfracht vor allem Süßwasser mit, das die Fauna des Muschelkalkmeeres zurückdrängte.


 Verfasser: Elmar Kram


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