Museumsbrief Nr. 28, 1/2022 Johann Carl Wilhelm Voigt / Die Anfänge der geologischen Erforschung der Rhön

Von: Dr. Martin Wittig
auf 28 Januar 2022

Johann Carl Wilhelm Voigt / Die Anfänge der geologischen Erforschung der Rhön

Dr. Martin Wittig - 2022

 

Das Interesse der Menschheit an Erkenntnissen über die Erde und die Entwicklung von Techniken zum Auffinden, Gewinnen und der Nutzung von Bodenschätzen ist uralt und lässt sich bis in die Steinzeit zurückverfolgen.

Ansätze für eine moderne geologische Wissenschaft beginnen allerdings erst mit der Renaissance, in der eigene Beobachtungen der Natur zu induktiven Schlüssen führen, die Rückbesinnung auf antike Autoren jedoch noch stark dominiert. Eine empirisch fundierte geologische Wissenschaft beginnt mit der Aufklärung, in der genaue eigene Beobachtungen zunehmend mit physikalischen, chemischen und mathematischen Methoden kombiniert werden.

Deshalb beginnt auch die systematische geologische Erforschung der Rhön erst in der Mitte des 18. Jahrhunderts.

Es fällt schwer, eine konkrete „Geburtsstunde“ der Geologie der Rhön zu definieren, aber zweifelsohne stellt die in Dessau  1783 veröffentlichte „Mineralogische Beschreibung des Hochstifts Fuld und einiger merkwürdigen Gegenden am Rhein und Mayn“ einen Meilenstein in der systematischen Erfassung und Erforschung der Rhöner Geologie dar. Autor war Johann Carl Wilhelm Voigt, Mitglied der „Churmainzischen  Akademie der nützlichen Wissenschaften zu Erfurt“. (Zitate daraus werden im folgenden Text mit "MB" gekennzeichnet). Dem Buch angegliedert ist eine „petrographische Landcharte“. Dabei handelt es sich sehr wahrscheinlich um die älteste geologische Karte der Rhön.

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Abb.1: Johann Carl Wilhelm Voigt, 1752-1821,Geognost und Vulkanologe

 

Um die „Mineralogische Beschreibung des Hochstifts Fuld“ in seiner Bedeutung erfassen zu können, bedarf es sowohl der Beschäftigung mit Johann Carl Wilhelm Voigts Biographie als auch der Auseinandersetzung mit den historischen politischen Umständen und dem damaligen Wissensstand sowie den zur Verfügung stehenden technischen Möglichkeiten.

Johann Carl Wilhelm Voigt wurde am 20. Februar 1752 in Allstedt im Herzogtum Sachsen-Weimar geboren. Er studierte von 1773 bis 1775  Rechtswissenschaft an der  Universität Jena.

Gegen Ende seiner Studienzeit kam es in Weimar und Freiberg zu Entwicklungen, die einen entscheidenden Einfluss auf seinen weiteren Lebenslauf nehmen sollten.

Der Herzog von Sachsen-Weimar, Carl August, beabsichtigte, in seinem Herzogtum den Kupfer- und Silberbergbau wieder zu beleben; denn das Land lag wirtschaftlich durch die Folgen des siebenjährigen Krieges (1756-1763) am Boden.

(In dieser verheerenden  Auseinandersetzung hatte Friedrich II, König von Preußen, mit Kaiserin Maria Theresia von Österreich um den Besitz Schlesiens gekämpft. Es ging darüber  hinaus aber auch um die Vormachtstellung der jeweiligen Alliierten England bzw. Frankreich in deren überseeischen Kolonien.)

1765 wurde in Freiberg  zunächst eine montanwissenschaftliche höhere Bildungseinrichtung gegründet. Durch Mehrung des Wissens über die Gewinnung, Auf- und Weiterverarbeitung von Rohstoffen sollte ein wirtschaftlicher Aufschwung eingeleitet werden.

Diese Bergakademie Freiberg war bis 1775 eher unbekannt. Das änderte sich mit der Berufung von Abraham Gottlob Werner, der 1775 Inspektor des sächsischen Oberbergamtes in Freiberg wurde, dem die Bergakademie unterstand. Unter seiner Leitung gelangte die Akademie zu großer Blüte und hatte bald den Ruf einer großen Universität.

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Abb. 2: Gottlob Abraham Werner, 1749-1817, Mineraloge

            

 

Um die  geologischen  Kenntnisse auch wirtschaftlich nutzen zu können, wandte sich Herzog Carl August  an Johann Wolfgang Goethe, der 1776 Mitarbeiter der Regierungsbehörde des Herzogtums wurde. 1777 wurde in Weimar eine Bergwerkskommission gegründet, deren Vorsitz Goethe übernahm. Um langfristig für die Aufgaben dieser Kommission versierte Fachkräfte zu gewinnen, sandte er Johann Carl Wilhelm Voigt, den jüngeren Bruder seines Freundes Christian Gottlob Voigt, zur Ausbildung an die Bergakademie Freiberg, wo er von 1776 bis 1779 zum „Geognosten“ ausgebildet wurde. (Die damalige Bezeichnung „Geognost“ entspricht dem heutigen  Berufsbild eines Geologen.) 

Abraham Gottlob Werner veröffentlichte in seiner beruflichen Laufbahn nur wenige eigene wissenschaftliche Arbeiten, brachte aber die geologische Ausbildung auf ein bis dahin unbekanntes hohes Niveau. Er hielt erstmals Vorlesungen in Mineralogie, Bergbaukunde, regionaler Geologie von Sachsen, allgemeiner Geologie, Eisenhüttenkunde, Paläontologie sowie Geschichte der Mineralogie und des Bergbaus. Er entwickelte die geologische Kartierung und die Erstellung von geologischen Profilen. Die Bergwerkskunde erweiterte er zur geologischen Wissenschaft.

Werner vermittelte im Laufe seiner Lehrtätigkeit Wissen an gut 600 Studenten, von denen etliche bedeutende Geologen wurden.

Einer seiner ersten Schüler war Johann Carl Wilhelm Voigt.

Nach Beendigung seines Studiums an der Bergakademie in Freiberg  fand Voigt im Herzogtum  Sachsen-Weimar zunächst noch keine Verwendung und wurde  von Goethe in den Jahren 1779-1783 auf Reisen zu geologischen Studien durch das Herzogtum Sachsen-Weimar, weitere Gebiete Thüringens, die Rhön, das Rheinland, die Eifel  und den Harz geschickt.

Voigts Forschungsreisen erbrachten viele detaillierte neue geologische Erkenntnisse, die ihren Ausdruck in zahlreichen Veröffentlichungen Voigts fanden, u.a. in der für die Rhön so wichtigen Schrift „Mineralogische Beschreibung des Hochstifts Fuld und einiger merkwürdigen Gegenden am Rhein und Mayn“  1783.

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Abb.3: Titelblatt der „Mineralogischen Beschreibung“ mit einer Abbildung der Steinwand


Ein große ungeklärte wissenschaftliche Frage stellte damals die Entstehung des Basaltes dar. Die Neptunisten, vertreten durch Werner (und Goethe), verfochten die Ansicht, dass der Basalt eine Sedimentbildung aus Wasser darstelle, während die Plutonisten der Auffassung waren, dass dieses Gestein  vulkanischen Ursprungs sei und sich aus erstarrten vulkanischen Schmelzen bilde.
  

Voigt folgte zunächst als  Schüler Werners den Ansichten  der Neptunisten. Auf Grund seiner Beobachtungen, sicher auch durch seine Exkursion in die Rhön, wurde er immer mehr zum überzeugten Plutonisten und kenntnisreichen Vulkanologen und geriet in teilweise heftigen wissenschaftlichen Widerspruch zu seinem ehemaligen  Lehrer Werner.

Die damaligen geologischen Erkenntnisse gaben zunächst beiden Parteien triftige Gründe für ihre jeweiligen Ansichten.  Da Werner in den basaltischen Schichten des Erzgebirges Tafelbergformen erkannte und zum damaligen Zeitpunkt nirgendwo die Entstehung flachliegender basaltischer Deckenergüsse durch aktiven Vulkanismus beobachtet worden waren, ist seine Schlussfolgerung einer sedimentären Genese nachvollziehbar.

Voigt kam durch Beobachtungen auf seinen geologischen Erkundungen immer mehr zu der Erkenntnis, dass jedem Basaltberg ein Vulkan entsprach. Dort, wo er keinen Krater fand, nahm er an, dass die Basaltberge Erosionsreste eines Schichtvulkans vom Aussehen eines Vesuvs oder Ätnas darstellten.

Ende des 18.Jahrhunderts führten die Fülle geologischer Beobachtungen und Schlussfolgerungen dazu, dass die Theorien der Plutonisten zur anerkannten Lehrmeinung wurden.  Werners Verdienste liegen, auch wenn er in dieser einen Theorie widerlegt wurde, zweifelsohne darin, dass er Mitbegründer der wissenschaftlichen Geologie und Begründer der Geologie in Deutschland war.

Voigt wurde ein anerkannter Vulkanologe und veröffentlichte zu geologischen und vulkanologischen Themen zahlreiche Arbeiten. 1789 wurde er „Bergrath“ in Ilmenau. 1821 verstarb er im Alter von 68 Jahren in Ilmenau.

Die mineralogische Beschreibung der Rhön, mit der die empirisch-wissenschaftliche geologische Erforschung der Rhön begann, wurde zum einen dadurch ermöglicht, dass Goethe 1779 noch keine adäquate Tätigkeit für Voigt in der Bergwerkskommission hatte, zum anderen dadurch, dass Voigt in Fürstbischof Heinrich von Bibra vom Hochstift Fulda einen interessierten Auftraggeber fand.

Heinrich von Bibra

Abb.4: Fürstbischof Heinrich von Bibra,1711-1788

Auch das Hochstift Fulda war durch den siebenjährigen Krieg stark getroffen worden. Bis auf die Schlacht auf dem Münsterfeld 1759 war Fulda von direkten Kämpfen verschont geblieben; es hatte aber enorm unter den Truppendurchzügen, Einquartierungen, Plünderungen, Beschlagnahmungen und exorbitanten Kontributionszahlungen gelitten. 1763 war das Fürstbistum hoch verschuldet.

Fürstbischof Heinrich von Bibra, seit 1759 im Amt, konnte, bedingt durch die Kriegswirren, erst 1763 nach dem Frieden von Hubertusburg endgültig nach Fulda zurückkehren.

Als aufgeklärter absolutistischer Fürst sah er sich im Dienst seines Volkes und setzte seine Arbeitskraft in der wirtschaftliche Förderung von Landwirtschaft und Forst ein. Um die enormen Schulden von 171.268 fl. (Gulden) zu senken, versuchte er aus denselben Gründen wie Herzog Carl August in Sachsen-Weimar, die Wirtschaft zu fördern. Das Prinzip des Merkantilismus, der absolutistischen Wirtschaftsform, sah vor, zur Auffüllung der Staatsfinanzen einerseits Rohstoffe möglichst im eigenen Land zu gewinnen oder zumindest günstig zu erwerben, die daraus im Lande hergestellten Produkte im Ausland zu veräußern und andererseits den Verkauf von Rohstoffen ins Ausland zu vermeiden und die Einfuhr von ausländischen Produkten durch Zölle zu behindern.

In Fulda existierte schon eine Fayencefabrik, die Tonerde aus Abtsroda als Rohstoff verwertete. Die Kenntnisse über mögliche weitere Rohstoffvorkommen waren aber bis dahin nur spärlich und vor allem nicht systematisch erfasst. Um mögliche Rohstoffressourcen des Hochstifts Fulda voll nutzen zu können, beauftragte er deshalb Johann Carl Wilhelm Voigt mit der mineralogischen Beschreibung des Hochstifts Fulda, zu dessen Gebiet auch große Teile der Rhön gehörten.

Werner hatte, um Landschaften auf Bodenschätze hin zu untersuchen, für seine Schüler genaue Instruktionen ausgearbeitet und eine Farbskala für die Dokumentation der Verbreitung von Gesteinsarten geschaffen. Nach diesen Vorgaben arbeitete auch Voigt.

Unterstützt wurde er bei seinen Exkursionen durch die Gebiete des Hochstifts Fulda und der Rhön von dem Hofkammerrath Meyer, Professor der Naturgeschichte zu Fulda, der sich intensiv mit Mineralogie befasst und als erster erkannt hatte, dass es sich bei den meisten der Rhöner Berge um „ausgebrannte alte Vulkane“ (MB, Seite 2) handeln würde.

Die damaligen technischen Möglichkeiten waren noch sehr begrenzt. Die Erkundung des Geländes erfolgte zu Fuß und zu Pferd. Voigt benutzte einen Hammer zur Probengewinnung sowie ein Messer zum Ritzen von Gestein, um die Härte zu ermitteln. Relative Höhenmessungen erschloss er aus den Flussverläufen, indem er feststellte, dass die Flüsse, die der Rhön entspringen, „fast nach allen Richtungen die benachbarten  Länder durchströmen“ (MB, Seite 6). Daraus folgerte er, dass in der Rhön die höchsten Berge im weitem Umfeld stehenSpäter standen ihm barometrische  Beobachtungen des Professors der Physik und Mathematik zu Fulda, Pater Gottharts Siebert,  zur Verfügung. Sie beruhten auf dem Prinzip, dass „eine Linie, um die das  Quecksilber im Barometer steigt oder fällt, siebenzig Fuß Höhe bey Messung der Gebirge rechnet“ (MB, Seite 8).

Mit diesen Messungen wird das Dammersfeld als der höchste Berg der Rhön mit 3640 Fuß Höhe über dem Mittelmeer ermittelt. Da der zugrunde liegende Pariser Fuß ca. 32,48 cm entspricht, errechneten sich z.B. für das Dammersfeld 1182 m Höhe. Die tatsächliche Höhe liegt bei 927,9 m. Die Messungenauigkeit war also erheblich und zudem durch meteorologische Luftdruckschwankungen extrem variabel.

Voigt erkannte, dass die Rhön - obwohl sehr bergig - kein durchgängiges Gebirge wie z.B. die Alpen oder der Harz darstellt, sondern dass das Landschaftsbild der Rhön durch Vulkanismus geprägt wird. Ferner ordnete er die vulkanischen Basalte jünger als die Basis aus rötlichem Sandstein und Kalkstein ein (heute als triassischer Buntsandstein und Muschelkalk klassifiziert), da sie durch diese Schichten hervorgebrochen waren. Dass diese beiden Gesteine, die die anstehende Basis der Rhön bilden, in unmittelbarer Verbindung zueinander stehen und somit eine geologische Formation bilden, war schon durch Johann Gottlob Lehmann (1719-1767) und Georg Christian Füchsel (1722-1773) herausgearbeitet worden. Der Begriff Trias wurde erst 1834 eingeführt.

In Kenntnis dessen und auf Grund eigener Beobachtungen weist Voigt in seiner „Mineralischen Beschreibung“ klar darauf hin, dass in den geologischen Formationen der Rhön keine wirtschaftlich nutzbaren Erzvorkommen zu erwarten sind und ersparte so dem Fürstbischof nutzlose Ausgaben für Bergbauversuche zur Gewinnung von Erzen. Es wirkt fast wie eine Entschuldigung vor seinem Auftraggeber Heinrich von Bibra, der sicher auf die Entdeckung von Erzvorkommen gehofft hatte, wenn Voigt ausführt:

„So kann ich doch in diesem Puncte nicht um ein Haar breit zurücktreten, ohne wider meine Ueberzeugung zu handeln, und Unwahrheit zu sagen“ (MB, Seite 10).

 Dort, wo anderswo Erzvorkommen in Zusammenhang mit Kalkstein gefunden worden waren, so stellt er fest, würde es sich um gänzlich andere Formationen handeln.

Mehr als alaunartiger Ton - wichtig für die Porzellanmanufaktur - und bituminöses Holz seien laut Voigt in der Rhön nicht zu erwarten.

Für die Bodenschätze Muschelkalk und Basalt, die heute in der Rhön für die Bauindustrie abgebaut werden, gab es damals noch keinen Markt. Sie wurden deswegen auch noch nicht als solche erkannt.

Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung ist Voigt völlig sicher, dass der Basalt vulkanischen Ursprungs sei und nimmt damit (als Plutonist) eine gegensätzliche Position zu seinem Lehrer Werner (Neptunist) ein. Dass aktiver Vulkanismus in keinen alten Schriften erwähnt wird und man in der Rhön keine Produkte wie "Bimstein, Schwefel" oder „mancherlei Salze“ (MB, Seite 13) findet, die bei damals aktiven Vulkanen nachzuweisen waren, führt er auf das hohe Alter und die inzwischen stattgefundene Verwitterung und Erosion zurück.

Sowohl beim Rauschenberg als auch Kalvarienberg bei Fulda entdeckt er, dass der Basalt spindelförmig die Sandstein- und Kalkschichten durchbricht, somit jüngeren geologischen Datums sein muss und keine Sedimentschicht darstellt. Entsprechendes findet er an der Basaltkuppe von Schloss Bieberstein vor. Hier gelingt ihm ein überzeugender schlüssiger Beweis: das Schlossgebäude ist auf einem Basaltkegel gegründet, der sich am Rande eines langgestreckten Bergrückens aus Muschelkalk befindet. Zur Sicherung der Wasserversorgung wurde in den Jahren 1718-1720 ein 57 m tiefer Ziehbrunnen in den Fels gehauen, der in seiner gesamten Schachtlänge Basalt durchteuft und dessen Grund tiefer als die umliegenden Kalksteinschichten liegt.

Bei Wolferts findet er in einem Aufschluss einen weiteren Beweis, dass der Basalt vulkanischen Ursprungs ist. Er schreibt:

„Aber noch in diesem Dorfe (Anm.: Wolferts), das der Spitze des Stellbergs ziemlich nahe liegt, passirte ich durch einen noch im Sandstein befindlichen hohlen Weg, dessen Schichten zwar ziemlich wagerecht lagen, dabey aber doch an zwey Orten auseinandergeborsten waren. Das ein Vulkan dies gethan hatte, war daher klar, weil diese beyden Spalten, von denen einer ohngefehr zwey Fuß, der andere aber noch einmal so viel Weite hatte, mit Lava ausgefüllt waren, die gleich einem streichenden Gange quer über den Weg und zu seinen beyden Seiten so weit ins Feld setzte, als es aufliegende Dammerde zu beobachten nicht verhindert“ (MB, Seite 32). 

 

Kartenausschnitt Vorderrhön kl

 

 

Legende

 


Titel der Karte

Abb. 5-7: Ausschnitte aus der „Petrographischen Landkarte des Hochstifts Fuld“ 1782

Das gleiche Bild ergibt sich beim Aufstieg  auf die Milseburg. 

Bei dem vermeintlichen Hornfels ist Voigt auf Phonolith gestoßen, ein Vulkanit, der durch Differenzierung von Magma entsteht und den er noch nicht als vulkanisches Gestein erkennt. Da die chemischen Analysemethoden und die mikroskopischen Untersuchungen von Gesteinsdünnschliffen, die die Unterschiede aufzeigen würden, noch in ferner Zukunft liegen, steht ihm nur die Einordnung nach dem äußeren Aussehen zur Verfügung.

Die genaue Beobachtung des Geländes lässt ihn aber schon die richtige Einordnung ahnen, denn er schreibt:

„So wenig der Hornschiefer vor sich ein vulkanisches Ansehen hat, so verdächtig wurde er mir hier da er in der Lava zu schwimmen schien, und  ich bitte meine Leser, auf diesen Umstand zu merken, weil ich in dieser Folge mehr Puncte anzeigen werde, daß er mit den alten Feuerbegebenheiten wenigstens in Connexion gewesen sein muß“ (MB, Seite 38). 

Voigt bleiben trotz erstaunlichen Weitblicks Fehlinterpretationen nicht erspart. Auf Grund des damals gegenüber heute geringeren Erkenntnisstandes im mineralogischen Bereich identifiziert er im Basalt und Verwitterungsschutt gefundene Kristalle als Schörl. Das Mineral Schörl ist ein häufiges Ringsilikat aus der Turmalingruppe. Heute wissen wir, dass es sich bei den gefundenen Kristallen um Hornblende, ein Kettensilikat handelt, welches durch Magmendifferenzierung  im Basalt auskristallisiert. Beide Mineralien  zeigen zahlreiche Variationen.

 

Schorl 229712
Abb. 8: "Schörl", Eisen-Turmalin aus der Gruppe der Ringsilikate 

 

Amphibol Hornblende
Abb. 9: "Hornblende", Amphibol, aus der Gruppe der Bändersilikate, häufiges Vorkommen in magmatischen Gesteinen

 

 

Voigt bezeichnet das Wasserkuppenmassiv korrekt als vulkanisch entstanden und markiert das Gebiet in seiner mineralogischen Karte als basaltisch. Den Gipfel des Pferdskopfs beschreibt er aus Hornfels bestehend. Den Guckaiseetalkessel meint er klar als vulkanischen Krater zu erkennen. In der Karte wird er als „Crater Euben“ eingezeichnet. Nichtvulkanische Gesteine im Bereich dieses „Craters“ führt er auf vulkanische Kräfte zurück, die die Struktur des Geländes verändert haben. Heute wissen wir, dass der Guckaiseetalkessel durch Reliefumkehr entstanden ist und keinen Vulkankrater darstellt.  Vulkanische Ablagerungen haben sich um einen riesigen Gesteinsblock bzw. Berg gelegt, der nach Ende der vulkanischen Aktivitäten schneller erodierte als die ihn umgebenden Vulkanite und dadurch den Talkessel formte.

Zur Erstellung der wohl ersten geologischen Karte greift er auf die „Homannische Charte“ aus dem „Atlas von Teutschland“, Karte No.102 zurück. Da diese keinen Meridian angibt, richtet Voigt die Homannische Karte von Fulda ausgehend nach der damals genauesten Karte, der „Mappa critica“ von Meyer von 1750, aus, in der der O- Meridian noch durch Paris verläuft. Um Gesteine lagerichtig einzuzeichnen, benutzt er einen Grubenkompass. Er markiert die Flächen für vulkanische Berge beige, Bezirke mit „Hornschiefer“ satt gelb, Kalkstein hellblau und Sandstein sowie sandigen Ton mit blass gelb.

Ersetzt man jedoch den Begriff Hornschiefer durch Phonolith, stellt sich Voigts mineralogische Karte als erstaunlich genaue und detailreiche erste vulkanologische Bestandsaufnahme der Rhön heraus.

Weitere kartographische Meilensteine erfolgen 127 Jahre später durch die „Geologische Übersichtskarte der Rhön“ von Bücking 1910 und  220 Jahre danach durch die „Vulkanologische Karte der Wasserkuppenrhön“ von Ehrenberg und Hickethier.

Crater Euben

 

Bücking

 

Hicketier

Abb. 10-12: Die Entwicklung der geologischen Karten an Ausschnittsbeispielen der Gebiete von Pferdskopf und Eube

1: Petrographische Landcharte von Voigt 1783

2: Geologische Übersichtskarte der Rhön von Bücking 1914

3: Vulkanologische Karte der Wasserkuppenrhön von Ehrenberg und Hickethier HLUG 2002

Hält man sich vor Augen, welche immense Detailarbeit in den heutigen geologischen Karten der Rhön steckt und wie viele Geologen, Mineralogen und Paläontologen an deren Erstellung beteiligt waren, bekommt man Respekt davor, was Voigt als Einzelperson mit dem damaligen geologischen Kenntnisstand und den ihm zur Verfügung stehenden  spärlichen Hilfsmitteln erkannt und geleistet hat.

 

Literatur:

Geschichte der Stadt Fulda, Band 1, Von den Anfängen bis zum Ende des Alten Reichs, Herausgeber: Fuldaer Geschichtsverein, Parzellers Buchverlag Fulda, 2009

Gümbel, Wilhelm von, "Voigt, Johann Carl Wilhelm" in: Allgemeine Deutsche Biographie 40 (1896), S. 205 [online version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd117472255.html#adbcontent

Rothe, Peter: Gesteine -    Entstehung Zerstörung Umbildung, Primusverlag, 3. Auflage 2010

Schmincke, Hans-Ulrich: Vulkanismus, Primus Verlag, 3. Auflage, 2010

Voigt, Johann Carl Wilhelm: Mineralogische Beschreibung des Hochstifts Fuld und einiger merkwürdigen Gegenden an Rhein und Mayn, Dessau und Leipzig, 1783

Wagenbreth, Otfried: Geschichte der Geologie in Deutschland, Stuttgart: Enke im Thieme- Verlag, 1999

 

Geologische Karten:

Voigt, Johann Carl Wilhelm: Petrographische Landkarte des Hochstifts Fuld, Dessau 1782

Bücking, H.: Geologische Übersichtskarte der Rhön, Berlin 1914

Ehrenberg, Karl-Heinz und Hickethier, Helmut: Vulkanische Karte der Wasserkuppenrhön 1:15 000 mit Erläuterungen, HLUG, Wiesbaden 2002

 

Verfasser:

Dr. Martin Wittig

v.- Steinrückplatz 1

36163 Poppenhausen