Ernst Hassencamp, Wissenschaftlicher Entdecker der Fossillagerstätte Sieblos
Hugo Schubert - 1997
Der Apotheker ERNST HASSENCAMP aus Weyhers war als Erster nach der Entdeckung des „Braunkohlen“- Lagers von Sieblos an der Wasserkuppe vor Ort, sammelte auf den Halden Fossilien und machte das Vorkommen Wissenschaftlern wie O. BOETTGER, H. A. HAGEN, O. HEER, C. v. HEYDEN, H. v. MEYER und F. SANDBERGER bekannt, die einzelne Funde bearbeiteten. HASSENCAMP selbst berichtete mehrfach über die Braunkohlenformation in der Rhön und erkannte bereits den Altersunterschied zwischen den Ablagerungen von Sieblos und den jüngeren Kohlevorkommen der Hochrhön. Jedoch ist wenig über den für die Fossillagerstätte Sieblos so wichtigen Mann bekannt. Über einen 1883 in den Berichten des Vereins für Naturkunde in Kassel erschienen Nachruf und über einige andere Quellen läßt sich folgender Lebenslauf rekonstruieren:
ERNST CONRAD HASSENCAMP wurde am 16. Oktober 1824 in Frankenberg an der Eder geboren. Mit 17 Jahren bestand er 1841 sein Abitur am Gymnasium in Kassel, wo unter anderem auch DINGELSTEDT sein Lehrer war.
Von 1841 bis 1846 widmete er sich dem Studium der Pharmazie an den Universitäten Marburg und Würzburg, wo er an letzterer am 12. August 1846 sein Approbationsexamen mit der Note 1 bestand. Nach mündlichen Aussagen seiner damaligen Lehrer, der Professoren Dr. SCHENK und Dr. RUMPF, wäre er ein zur Führung einer Apotheke befähigter, eifriger, enthaltsamer und mit sehr Wenigem genügsamer Mann.
Nach einem einjährigem Praktikum und dem Empfang der Konzessionsurkunde übernahm er am 26. Juni 1847 die von JOH. CHRIST. FRIEDR. CARL HOFFMANN 1831 gegründete und von Ferdinand Schamer bis 1847 geführte Apotheke in Weyhers. Wie die seinerzeitige Visitation ergab, befand sich die Apotheke in einem guten Zustand.
Abb. 1: Gemischtes Warengeschäft von PETER FEUERSTEIN in Weyhers um 1912, |
ERNST CONRAD HASSENCAMP kaufte die Apotheke in Weyhers 1847 zu einem Kaufpreis von 11000 Gulden und leistete eine Anzahlung von 4249 Gulden. Beim Kauf der Apotheke gab HASSENCAMP bekannt, daß er ein katholisches Mädchen heiraten und Eltern und Schwiegereltern nebst Kindern in das Haus aufnehmen will.
Vor dem Kauf der Apotheke hatte HASSENCAMP die Entlassung aus dem hessischen Untertanenverband beantragt.
Im Jahre 1853 übernahm HASSENCAMP zusätzlich noch die von Motten nach Weyhers verlegte Postexpedition, wofür Gründe nicht bekannt sind. Nachdem HASSENCAMP zunächst einen Lehrling in seiner Apotheke ausbildete, beantragte er, einen zweiten Lehrling ausbilden zu dürfen. Dabei handelte es sich um den Sohn des Apothekers RÜTTGERS aus Fulda, seinen ehemaligen Dienstherren, mit dem ihn eine Freundschaft verband.
Als Apotheker in Weyhers von 1847 bis 1863 studierte HASSENCAMP eingehend die geologischen Verhältnisse der Rhön, besonders die Braunkohlebergwerke von Sieblos und Bischofsheim und deren vorzeitliche Flora und Fauna. Mehrere Fossilien sind nach HASSENCAMP benannt.
1850 wurde HASSENCAMP Mitglied der Physikalisch- Medizinischen Gesellschaft zu Würzburg. In den „Verhandlungen“ dieser Gesellschaft und später in der „Würzburger Naturwissenschaftlichen Zeitschrift“ veröffentlichte er die Resultate seiner Studien in der Rhön. Darunter befanden sich Artikel über den Muschelkalk der Rhönberge (1852 und 1856), über Zeolithen (1856), über die Braunkohlenformation in der Rhön (1858), über das Vorkommen von Augit und Hornblenden in der Rhön (1859) und über das relative Alter der vulkanischen Gesteine der Rhöngebirges (1859). In der Würzburger Naturwissenschaftlichen Zeitschrift erschienen Beiträge über fossile Insekten der Rhön und über geologisch- paläontologische Untersuchungen über die Tertiärbildung des Rhöngebirges (beide 1860) sowie über neue Fundstellen von Tertiärconchylien in der Rhön (1861).
Seine Arbeiten über die Siebloser Papierkohle verschaffte ihm die Berufung an eine russische Universität, die er jedoch ablehnte. Im Jahre 1863 gab HASSENCAMP, erst 39 Jahre alt, seine Apotheke in Weyhers auf und lebte im Ruhestand in Fulda. In Fulda nahm er an den Arbeiten des dortigen Vereins für Naturkunde regen Anteil und war auch mehrere Jahre im Vorstand tätig. In den „Berichten“ dieses Vereins sind mehrere Arbeiten unter dem Haupttitel „Geologisches aus der Umgebung von Fulda“ zu finden (1878 und 1880), in denen er seine Beobachtungen über das Alluvium, jungtertiäre Bildungen, über das Röt, die massigen Gesteine der Rhön und der Breitfirst, Destillationsprodukte der Schieferkohlen von Sieblos in technischer Beziehung und über die Estherienmergel der Lettenkohle mitteilte.
Die Vermutung, daß HASSENCAMP über sein Herzleiden Bescheid wußte, darf angenommen werden. Die Krankheit war wohl auch der Grund, weshalb er die Berufung nach Rußland nicht annahm und 1863 mit nur 39 Jahren aus gesundheitlichen Gründen seine Apotheke in Weyhers aufgab und seinen Ruhestand in Fulda verbrachte.
ERNST CONRAD HASSENCAMP verstarb mit 56 Jahren an einem Herzleiden am 28. Juni 1881 in Fulda.
HASSENCAMPs Sammlung der Fossilien von Sieblos sowie weiterer Fossilien und Gesteine aus der Rhön wurde vor 1865 vom Mineralogisch- Geologischen Institut der Universität Würzburg erworben. In dem von Prof. F. SANDBERGER veranlaßten Katalog F (= Unterfranken) sind 343 (+ 25?) Stücke von HASSENCAMP verzeichnet, darunter 254 Stücke von Sieblos (F 1104 bis 1357).
Den Herren CHRISTIAN ASCHENBRENNER, Hosenfeld, und Herrn WILLY KIEFER, Fulda, danke ich für die Beschaffung der erforderlichen Unterlagen in Kassel und Marburg, Herrn ORTWIN LUCKHARD, Weyhers, für die Abbildung der ehemaligen Apotheke in Weyhers.
Verfasser: Hugo Schubert
Copyright: Sieblos-Museum Poppenhausen